Doppelruderanlagen im Praxis-Test

Doppelruder - Licht und Schatten

Wien (SP) Wie verhalten sich Doppelruderanlagen in der Praxis? Dieser Frage ging Thomas Brückner, Inhaber von MedCreation (Segeltraining, Yachtcharter) nach. "Da in den vergangenen Jahren zunehmend mehr Yachten auch für Fahrtensegler mit Doppelruder-Anlage ausgestattet werden wie etwa Elan 350, Bavaria 45 Cruiser oder Bavaria 50 Cruiser habe ich getestet, wie sich diese Schiffe bei Manövern verhalten."

Hier seine Erkenntnisse am Beispiel einer Bavaria 45 Cruiser, Baujahr 2011:

Drehen "auf dem Teller"

Dadurch, dass der mittige Propeller die beiden außen sitzenden Ruderblätter nicht mehr anströmt, lässt sich dieses Manöver deutlich schlechter fahren als mit einem mittigen Ruderblatt. Im Vorwärtsgang muss solange Gas gegeben werden, bis das Schiff Fahrt aufgenommen hat, erst dann gibt es Ruderwirkung und Drehung. Im Retourgang ist kein wesentlicher Unterschied zu anderen Schiffen, d.h., dass hauptsächlich mit dem Retourgang die enge Drehung stattfindet. Aber das geht natürlich nur mit vorhergehender Fahrt voraus.

Drehung mit Radeffekt

Drehung um 180° von Vorwärtsfahrt auf Rückwärtsfahrt (mit Hilfe des Radeffekts): Da dieses Schiff (sobald mal ein wenig Fahrt da ist) extrem drehfreudig ist, darf entweder die Fahrt voraus zuvor nicht mehr als zwei Knoten sein oder das Ruder wird nicht bis zum Anschlag gedreht. Ansonsten überdreht das Schiff und es wird eher eine 270° Drehung.

Eindampfen in die Vorspring/Achterspring

Das geht nur so, wie wenn man bei einem mittigen Ruderblatt dieses in der Mittellage festklemmen würde. Da die Doppelruder vom Propeller nicht angeströmt werden, findet keine weitere Drehung des Schiffes statt. Beim Anlegen muss daher nach Ausbringen einer Vorspring sofort das Heck gesichert werden, da es durch Eindampfen nicht zur Mole gebracht werden kann und bei stark ablandigem Wind auch abtreiben würde.
Beim Ablegen kann das Schiff nur ca. 20 Grad von der Mole weggedreht werden (bis es mit dem Kugelfender am Bug an der Mole dran ist), was bei mäßigem oder stark auflandigem Wind nicht reicht und beim Wegfahren gegen den Radeffekt auch bei schwach auflandigem Wind nicht reicht. Der Radeffekt zieht das Schiff dann ja anfangs Richtung Mole. Unangenehm, wenn dann auch noch ein Kat oder zwei Fischerboote im Paket hinter einem parken. Alternativ kann mit Eindampfen in die Achterspring bis zu mäßig auflandigem Wind abgelegt werden. Die Ecke am Heck muss dabei sorgfältig abgefendert werden.

Eindampfen in die Mittelspring

Beim Anlegen längsseits mit stark ablandigem Wind ist dies ein sehr praktikables Manöver. Es funktioniert prinzipiell auch hier, allerdings muss der Bug gut gefendert sein, denn dadurch, dass man mit dem Ruder der Drehung zur Mole nicht entgegensteuern kann, kommt der Bug etwas früher und steiler an der Mole an. Wenn die Mittelspring zwischendurch gekürzt wird (mit gleichzeitigem auskuppeln), geht es besser.

Eindampfen in die Molen-äußere Achterleine

Bei diesem Manöver ist der kritische Punkt das Abfendern des Hecks und das Ruderlegen hart zur Mole, damit im Vorwärtsgang durch das Anstrahlen des Ruderblatts das Heck ein wenig von der Mole schiebt. Das ist bei Schiffen mit Doppelruderanlage natürlich ebenfalls nicht möglich. Daher muss damit gerechnet werden, dass das Heck, aufgrund seiner meist großen Breite, einige Meter an der Mole entlang mit Druck schiebt. Was selbst bei guter Abfenderung ein wenig riskant ist. Dieses Manöver ist aber ohnedies bei mehr als 12 bis 15 kn auflandigem Wind kaum mehr fahrbar, da dann schon mit Vollgas eingedampft werden müsste.

Einparken in Marina-Box mit Murings

Die Gesamtfläche der beiden Ruder dürfte etwas mehr sein als bei vergleichbaren Schiffen mit einem Ruderblatt. Dies bewirkt das oben erwähnte drehfreudige Verhalten. Beim Einparken ist mir aufgefallen, dass dadurch etwas später das Ruder gelegt werden kann (was ein großer Vorteil ist, denn die außen stehenden und schräg nach außen zeigenden Ruderblätter wären perfekte "Muringfänger"!). Das Schiff bekommt auch bei etwas geringerer Rückwärtsfahrt genügend Ruderwirkung für eine enge Drehung und um ggf. den Bug gegen den Seitenwind zu bringen.

Verhalten unter Segel

Bei böigem Wind 20-30 kn, passend gerefft, segelt dieses Schiff praktisch ohne Ruderdruck, selbst wenn es gerade stark krängt.


Fazit

Thomas Brückner: "Aus manchen Situationen wie ablegen längsseits bei stark auflandigem Wind gegen den Radeffekt, ist freikommen nur mit Bugstrahlruder - was bei Starkwind eine sehr mäßige und meist nur kurze Wirkung hat - oder fremder Hilfe möglich." Und: "Sehr gute Segeleigenschaften an der Kreuz bei stärkerem Wind."

Infos: www.medcreation.at.


Folgt uns bei Facebook, Instagram und Youtube.


Neuer Webauftritt von Hallberg-Rassy
Neues aus dem niederländischen Wattenmeer