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Führerscheinpflicht erst ab 15 PS

Führerscheingrenze soll auf 15 PS angehoben werden

Charterflotte in Lemmer/Ijsselmeer. Führerscheinpflicht gibt es dort nur für Boote ab 15 Meter Länge und schelle Motorboote.

Berlin (SP) Gestern (26. Januar 2012) hat der Deutsche Bundestag die Weichen gestellt, um die Führerscheinanforderungen in der Sportschifffahrt herunterzuschrauben - und gleichzeitig die Sicherheit im Binnen- und Küstenbereich herabzusetzen, wie Kritiker befürchten. Kernpunkt des Beschlusses der Regierungsfraktionen (Drucksache 17/7937) ist die Erhöhung der führerscheinfreien Grenze von bisher 5 auf 15 PS. Sie soll den Einstieg in den Bootssport erleichtern und attraktiver gestalten sowie der positiven Entwicklung in der Sportschifffahrt neue Impulse verleihen. "Die sind auch dringend notwendig. In den kommenden Jahren werden aufgrund der demografischen Entwicklung erheblich mehr Menschen aus dem Bootssport aussteigen als neue hinzukommen. Um diesen negativen Trend zu stoppen, ist es dringend notwendig, unnötige Hemmschwellen abzubauen", so der Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V. (Köln).

Die bestehenden amtlichen Bootsführerscheine sollen in einem modularen System zusammengefasst werden: Bisherige Sonderprüfungen wie der Sachkundenachweis für die Bedienung von Signalmitteln (Pyroschein) und das Funkzeugnis sollen in ein solches modulares System integriert werden. Funkzeugnisse aus anderen Ländern sollen akzeptiert werden. Auch der schwachsinnige Passus, "Es ist zu prüfen, ob es inhaltliche Überschneidungen von Funkzeugnissen mit anderen Funkscheinen und -zertifikaten gibt (z. B. in der Pilotenausbildung) und inwiefern diese auch als Funkzeugnisse für die Sportschifffahrt anerkannt werden können." ist weiter enthalten. Die Verfahren im Flugfunk und im Seefunk unterscheiden sich grundlegend. Die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung zeugten von absoluter Unkenntnis der Materie, so Kritiker.

Die Pläne der schwarz-gelben Bundesregierung bedeuten vielmehr einen klaren Abbau von Sicherheit gerade im Charterbereich zugunsten des Kommerzes. O-Ton Antrag: "Des Weiteren ist zu prüfen, ob es künftig ausreichend sein kann, wenn statt des Skippers ein anderes Crewmitglied ein Funkzeugnis vorlegt. Darüber hinaus sollten Funkanlagen bei Charterbooten nur für die Fahrtgebiete A (Hochsee) und B (außerhalb der Küstengewässer) als verpflichtende Ausrüstung vorgeschrieben werden."

Die Wassersportindustrie feiert natürlich ihre erfolgreiche Lobby-Arbeit, die nach Ansicht von Kritikern dagegen klar zu Lasten der Sicherheit geht. Tatsächlich würde der Beschluss dazu führen, das bisher sehr hohe Regulierungsniveau in Deutschland an das Niveau in anderen wichtigen Wassersportnationen anzupassen. „Die bisher gegenüber dem Ausland bestehenden Wettbewerbsnachteile werden abgebaut. Ich bin davon überzeugt, dass dieser wichtige Schritt die Attraktivität des Bootssports im Einstiegsbereich erhöht, ohne die Sicherheit auf dem Wasser zu gefährden“, glaubt Verbandspräsident Robert Marx.

Neben der Anhebung der führerscheinfreien Grenze fordert der Bundestag den Ausbau der Charterscheinregelung, innerhalb der, auf bestimmten Gewässern, Hausboote auch ohne Führerschein im Rahmen eines Urlaubs gefahren werden dürfen. Außerdem soll geprüft werden, ob diese Regelung auch auf geeignete Ostseereviere ausgedehnt werden kann. Diese Erleichterungen sollen Hand in Hand gehen mit der Einführung von Qualitätsstandards in der Ausbildung. Die Ausbildungsorganisationen haben bis 2016 Zeit, durch ein einheitliches Qualitätssiegel einer gesetzlichen Regelung zuvorzukommen.

Nach dem Willen der Regierungsfraktionen sollen die Beschlüsse zügig, noch innerhalb der Legislaturperiode umgesetzt werden. „Die Verabschiedung des Bundestagsantrags war ein dringend notwendiger Schritt für den wir den Initiatoren aus FDP- sowie CDU/CSU-Bundestagsfraktion sehr herzlich danken. Wir werden unseren Beitrag dazu leisten, dass im Rahmen der praktischen Umsetzung auch Sicherheitsaspekte angemessen berücksichtigt werden", so Marx weiter.

Infos: Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V. (Köln)

Deutscher Bundestag Drucksache 17/7937

Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP
Neue Impulse für die Sportbootschifffahrt

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Regelungen in der deutschen Sport- und Freizeitschifffahrt dienen zwei Zielen: Erhalt der Sicherheit auf dem Wasser sowie erleichterter Zugang für Interessierte auf das Wasser. Im europäischen Vergleich hat Deutschland auf diesem Sektor die mit Abstand strengsten Führerscheinvorschriften. Während z. B. innerhalb der EU in Däne- mark, Schweden, Großbritannien und Irland keine Führerscheinpflicht besteht oder weitaus liberalere Regelungen bestehen, wie z. B. in Italien mit einem füh- rerscheinfreien Bereich bis 40 PS, müssen in Deutschland für Boote mit mehr als 3,68 kW (5 PS) Leistung unterschiedliche Führerscheine für die Binnen- und Seeschifffahrt erworben werden. Neben den beiden amtlich vorgeschriebenen Führerscheinen Sportbootführerschein (SBF) Binnen und SBF See existieren höherwertige amtliche Führerscheine, die im nichtgewerblichen Bereich auf freiwilliger Basis erworben werden können, und darüber hinaus unterschied- lichste Regelungen auf Bundes- und Landesgewässern.
Die im Jahr 2000 zunächst probehalber eingeführte Charterbescheinigung, die Touristen nach einer mehrstündigen Einweisung das Fahren eines Bootes auf ausgewählten Binnengewässern ermöglicht, ist ein Erfolg. Sie hat maßgeblich zu einer Belebung des Tourismus in den betreffenden Regionen geführt. Hierbei hat es auch keine Probleme mit der Sicherheit auf den Gewässern gegeben. Der Bundestag begrüßt deshalb die aktuellen Bemühungen, diese Charterscheinfahr- gebiete besser zu vernetzen, indem man das Queren von Bundeswasserstraßen mit Berufsverkehr ermöglicht.
Der Bundestag begrüßt außerdem die aktuellen Bemühungen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, die bestehenden amtlichen Bootsführerscheine in einem modularen System zusammenzufassen. Bisherige Sonderprüfungen wie der Sachkundenachweis für die Bedienung von Signalmitteln (Pyroschein) und das Funkzeugnis sind in ein solches modulares System zu integrieren. Damit werden
– Redundanz bei den Prüfungen vermieden,
– Wettbewerbsnachteile im Chartergeschäft zu europäischen Nachbarn abgebaut,
– die Entwicklung des Wassersports auch unter touristischen Gesichtspunkten in Deutschland gefördert.
Um die Attraktivität des Wassersporttourismus zu sichern und zu steigern, soll- ten über die aktuellen Bemühungen, die bisherigen Sportbootführerscheinprüfungen zu deregulieren, die generellen Anforderungen an eine Führerschein- pflicht abgesenkt werden. Dies bedeutet keinen Verlust an Sicherheit. Ein Vergleich mit unseren Nachbarn zeigt, dass Sicherheit in der Sport- und Freizeit- schifffahrt nicht durch eine restriktive Führerscheinregelung erreicht wird. Im Gegenteil produziert dies bisweilen sogar kontraproduktive Effekte: So sind Boote mit weniger als 5 PS in Gefahrensituation allgemein untermotorisiert, werden aber durch die Eigner nicht mit stärkeren Motoren ausgerüstet, um der Führerscheinpflicht auszuweichen.
Für die Bereiche, in denen ein Führerschein vorgeschrieben ist, muss gelten, dass die Vermittlung praktischer Grundlagen wichtiger ist als theoretisches Wissen. Denn anders als im Straßenverkehr wird die Bootsführung im Bereich der Sport- und Freizeitschifffahrt meist nur über wenige Wochen im Jahr ausgeübt, weshalb das Prüfungswissen mangels Praxis schnell wieder verloren gehen kann. Auch sind Boote und Yachten in ihrer Konstruktion und Größe sowie ins- besondere Manövrierfähigkeit sehr unterschiedlich. Die praktische Grundlagen- ausbildung muss deshalb bei der Ausbildung und Prüfung stärker gewichtet werden. Bereits vorhandene praktische Vorkenntnisse können ganz oder teil- weise von der Verpflichtung zur praktischen Ausbildung entbinden, sie müssen allerdings in einer praktischen Prüfung nachgewiesen werden.
Derzeit gibt es für die Wassersportschulen in Deutschland unterschiedliche Möglichkeiten, eine Anerkennung zu erhalten. Sportverbände und kommerzielle Ausbildungsdachorganisationen legen Ausbildungsstandards fest, die allerdings nicht miteinander harmonisiert sind und deren Einhaltung oft nicht kontrolliert wird. Darüber hinaus bilden viele Schulen aus, die keiner Organisation angeschlossen sind. Deshalb ist zu prüfen, ob ein einheitliches Zertifikat sinnvoll ist und wie es eingeführt werden kann.
II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
folgende Punkte umzusetzen:

1. Führerscheinpflicht
Die Grenze von 3,68 kW (5 PS), ab der eine Führerscheinpflicht gilt, wird auf 11,4 kW (15 PS) erhöht.

2. Charterschein
Wegen des großen Erfolges des Charterscheins sollen weitere Gebiete für eine solche Regelung ausgewiesen werden. Insbesondere ist die Vernetzung von solchen Gebieten sicherzustellen, auch wenn dafür Bundeswasserstra- ßen mit geringem Güterverkehr zu queren oder Bundeswasserstraßen mit geringem Güterverkehr zusätzlich freizugeben sind. Durch intelligente Ver- kehrsleitsysteme (z. B. Signallichtanlagen) sollte ggf. für eine ausreichende Sicherheit gesorgt werden. Die Freigabe von zusätzlichen Fahrtstrecken mit geringer Güterschifffahrt soll im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung erfol- gen. Neben den infrage kommenden Binnenrevieren, ist möglichst auch auf geeigneten Ostseerevieren für eine solche Charterscheinregelung zu sorgen und/oder neue Modelle zu erproben, die den Zugang auf das Wasser erleichtern, wie z. B. Flottillenfahrten.
3. Überprüfung der neuen Regelungen
Drei Jahre nach Inkrafttreten der oben geforderten neuen Regelungen ist dem Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und dem Ausschuss für Tourismus des Deutschen Bundestages eine Evaluierung vorzulegen, wie sich die Regelungen der Forderungen unter den Nummern 1 und 2 in Bezug auf die Sicherheit und die Förderung des Tourismus ausgewirkt haben.

4. Führerscheinprüfungen
a) Die unterschiedlichen Verordnungen zum Führerscheinwesen sollten soweit wie möglich zusammengefasst werden. Ebenso sollten die Prüfungen, inklusive bislang getrennter Sonderprüfungen (Pyroschein, Funk- zeugnis), in einem modularen Aufbau der Wassersportführerscheine zu- sammengefasst werden. Dabei sollte es so wie heute beim SBF Binnen bei allen Prüfungen ermöglicht werden, die Prüfung in einer Wassersportschule im europäischen Ausland zu absolvieren.
b) In der Ausbildung ist stärker auf relevante praktische Grundfähigkeiten abzustellen und im Sinne eines modularen Aufbaus des Systems sind die Ausbildungsverpflichtungen bei vorhandenen praktischen Vorkenntnissen zu reduzieren. Entsprechende praktische Fähigkeiten müssen aber umfassender geprüft werden.
c) Bei der Umstellung des Führerscheins auf Multiple-Choice sollte es durch erschwerte Antwortmöglichkeiten nicht zu einer faktischen Verschärfung der Führerscheinprüfung kommen. Die hohe Zahl der Fragen ist sinnvoll zu reduzieren.
d) Es ist zu prüfen, inwieweit Berufsabschlüsse in der gewerblichen Binnen- und Seeschifffahrt als Teile der Sportbootführerscheinprüfung anerkannt werden können, die bisher nicht anerkannt werden.

5. Funkzeugnisse
a) Solange das Funkzeugnis nicht Teil einer modularen Ausbildung ist, ist das Vorlegen eines Funkzeugnisses aus einem anderen EU-Mitgliedstaat zu akzeptieren. Darüber hinaus soll die Bundesregierung sich auf EU- und internationaler Ebene für die gegenseitige Anerkennung von Funkzeugnissen einsetzen. Des Weiteren ist zu prüfen, ob es künftig ausreichend sein kann, wenn statt des Skippers ein anderes Crewmitglied ein Funkzeugnis vorlegt. Darüber hinaus sollten Funkanlagen bei Charterbooten nur für die Fahrtgebiete A (Hochsee) und B (außerhalb der Küstengewässer) als verpflichtende Ausrüstung vorgeschrieben werden.
b) Es ist zu prüfen, ob es inhaltliche Überschneidungen von Funkzeugnissen mit anderen Funkscheinen und -zertifikaten gibt (z. B. in der Pilotenausbildung) und inwiefern diese auch als Funkzeugnisse für die Sportschifffahrt anerkannt werden können.
6. Die Verbände und Vereine sind dabei zu unterstützen, anstelle der bislang für den Verbraucher nicht transparenten und aussagekräftigen Zulassung der Ausbildungsstätten ein einheitliches Qualitätssiegel zu schaffen, das Min- deststandards in der Ausbildung garantiert. Sollte bis Ende des Jahres 2016 kein deutlicher Fortschritt hin zu einem einheitlichen Qualitätssiegel erreicht worden sein, soll die Bundesregierung selbst die Initiative ergreifen, um all- gemeine Mindeststandards sicherzustellen.
7. Die Mindestausrüstungsstandards für Charteryachten sind an das jeweilige Fahrtgebiet und nicht an die Schiffsgröße anzupassen.
8. Umsetzung der Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages zur Modernisie- rung und Zusammenführung der Vorschriften im Wassersportbereich zu einem Recht der Sportbootschifffahrt.
9. Zur Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung durch die Wasser- und Schifffahrtsämter bei der Erteilung von Bootszeugnissen bedarf es eines Durchführungserlasses zur Sportbootvermietungsverordnung oder einer Klarstellung unklarer Bestimmungen in der Verordnung selbst.
10. Zulassung vereidigter oder zertifizierter Sachverständiger, um die Ertei lung von Bootszeugnissen zu beschleunigen.
11. Es ist zu prüfen, wie eine Unfallstatistik in der Sportbootschifffahrt ge währleistet werden könnte; erforderlichenfalls soll die Bundesregierung ein Schiffsunfalldatengesetz vorlegen.
12. Führerscheine sollen zukünftig auch im „Scheckkartenformat" (Plastikkarte) ausgestellt bzw. umgetauscht werden können.
Berlin, den 29. November 2011

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion Rainer Brüderle und Fraktion


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